Reizthema F-Wort

oder wie ich lerne, meine Kinder zu Feminist*innen zu erziehen.

Chamamanda Ngozi Adichie erreichte die Bitte einer Freundin, ihr zu erklären, wie diese ihre Tochter zur Feministin erziehen könne. Adichie, Autorin und selbsterklärte Feministin, antwortete in einem langen Brief, der im März des Jahres 2017 veröffentlicht wurde. Dear Ijeawele, or A Feminist Manifesto in Fifteen Suggestions ist Adichies Antwort und die Niederschrift ihres feministischen Manifests.

Was ist bloß los? Das Wort Feminismus schmeckt fahl auf der Zunge. Dabei barg es lange Zeit das Versprechen, Frauen von hinter dem Herd vor an die Rednerpulte und in die politischen, kulturellen, gesellschaftlichen Diskussionen zu holen; Frauen ein berufliches Leben neben der Familie zu sichern. Und dennoch dominieren überholte Geschlechter-Rollen, die von allen möglichen Seiten gefordert und unterstützt werden.

  • Glückliche Kinder werden so lange wie möglich von der liebenden Mutter zuhause betreut.
  • Frauen, die ihre Kinder von ihren Männern, Müttern, Schwiegermüttern oder gar familienfremden Pädagogen betreuen lassen seien Rabenmütter etc.

Im Schlagschatten des F-Wortes ein unüberwindbares Theoriegetüm

Radikale Feministinnen türmen sich auf dem dritten Geschlecht, auf der Gender-Debatte, auf unterworfenen, dekonstruierten, rekonstruierten, auseinandergenommenen Wesen. Die neue Rechte heftet sich den Antifeminismus an die Fahne und polemisiert den „Genderismus“.

Über all dem wackelt die Gewissheit: Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Aber wo sind die leidenschaftlichen Feminist*innen, deren Stimmen den Feminismus erfahrbar machen und lebendig werden lassen.

An diesem Punkt angekommen, rollt Chimamanda Ngozi Adichie wie ein sanfter Donner in mein Leben. Ich lese Dear Ijeawele, or A Feminist Manifesto in Fifteen Suggestions und fühle mich gewappnet. Gewappnet meinen Kindern einen Feminsimus näher zu bringen, der folgender Prämisse folgt:

I matter. I matter equally. Not ‘if only’. Not ‘as long as’. I matter equally. Full stop.

Was diese Gewissheit mit sich bringt, legt Chimamanda in fünfzehn Vorschlägen dar. Sympathisch, pointiert, nachvollziehbar. Der frischgebackenen Mutter, der die fifteen suggestions gewidmet sind, führt sie vor, wie sehr unsere Worte und Taten jenen Seximus prägen, den unsere Töchter und Söhne nebenbei anerzogen bekommen. Bei der Wahl geschlechterspezifischen Spielzeugs und ebensolcher Kleidung. Bei den Glückwünschen für den Stammhalter, die Prinzessin aber auch beim Selbstverständnis in Pflege- und Erziehungsfragen.

“Share child care equally. (…) and please reject the language of help. Chudi is not ‘helping’ you by caring for his child. He is doing what he should.”

Chimamanda reißt Themen an, die unserer Gesellschaft unangetastet zu Grunde liegen. Themen, die von Unterwerfung und Dominanz geprägt sind. Sie spricht von Frauen, die bei der Heirat wie selbstverständlich den Namen ihrer Männer annehmen, legitimiert durch mehr als fragwürdige Traditionen. Doch warum hinterfragt eigentlich niemand die Tatsache, dass Frauen eine neue, eine andere Identität annehmen „müssen“, wenn sie einem Mann das Jawort (hearhear) geben. Nun gut, ich bin sensibilisiert. Bin hellhörig was Alltags-Sexismen anbelangt. Und finden kann man sie an jeder Ecke. 

‚Because you are a girl’ is never a reason for anything. Ever.

Dabei geht es Chimamanda nicht nur darum, Geschlechter-Rollen aus dem Sprachgebrauch zu verbannen, (Sei keine Mädchen. Lauf nicht wie ein Mädchen. Du bist alt genug, um deinen Mann zu stehen. Große Buben weinen nicht etc.) sondern auch darum, vorgefertigte Meinungen und Zuschreibungen zu hinterfragen. Denn warum ist es für ein Mädchen wichtig als liebenswert, sanft und verständig zu gelten. Macht nicht genau das eine Frau zum Objekt, dem daran liegt, gemocht zu werden und dieses stets zu hinterfragen. Dabei sollten Mädchen erkennen, dass es vollkommen gleichgültig ist, ob jemand sie mag oder nicht, dass sie wiederum entscheiden können, ob sie etwas mögen oder eben nicht. Warum sollten junge Burschen nicht sensibel sein? Warum sich nicht um ihre Mitmensche, Nachkommen kümmern? 

Teach her never to universalize her own standards or experiences. Teach her that her standards are for her alone, and not for other people. This is the only necessary form of humility: the realization that difference is normal

Jetzt, so scheint mir, ist der richtige Zeitpunkt gekommen, um unsere Kinder in eine neue, bessere Zukunft zu führen. Wir selbst können die Veränderung vornehmen, in dem wir Männer, Frauen und Transgender Personen als das wahrnehmen was sie sind: Menschen, die nicht gezwungenermaßen gleich sein müssen, um die gleiche Gerechtigkeit zu erfahren.

Chimamanda Ngozi Adichie: Dear Ijeawele, or A Feminist Manifesto in Fifteen Suggestions, 4th Estate, London

Photo by Chris Boland / http://www.christopherinessex.co.uk

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